astridmagbier
Bier ist weiblich!
Aber sowas von!
Bierbrauen ist Männersache - und es zu trinken sowieso?
Frauen und Bier? Wie konnte das denn passieren und wie häufig werde ich gefragt, wie ich denn auf diese Idee gekommen bin? Einfach nur gern Bier zu trinken scheint nicht ausreichend zu sein, um Biersommeliére zu werden. Doch sollten diese tägliche Vorurteile unserer Gesellschaft gegenüber biertrinkenden Frauen nicht im Vordergrund dieses Artikels stehen. Sind sie doch das Ergebnis vieler Jahrhunderte männlicher Vorherrschaft in diesem Bereich und mich interessiert viel mehr der Ursprung dieser Misere.
Ob die Göttin Kalevatar bei den Finnen, die dem Mann das göttliche Getränk gebracht hat oder die Wikinger, bei denen nur Frauen Bier brauen durften. (1) Von den Ägyptern bis hin zu den Wikingern. Überall waren es Frauen, die Bier brauten. Für religiöse Zeremonien oder als kalorienreiches, hygienisches Getränk für den Alltag. Bereits
Hildegard von Bingen hat im 12. Jahrhundert über die positiven Eigenschaften von Hopfen geschrieben und fügte diese wertvolle Zutat ihrem Bierrezept hinzu.
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Doch schauen wir einmal auf den Geburtsort des Bieres. Hierzu gehen wir tausende Jahre zurück. Der neuste bekannte Beleg von brauerischer Tätigkeit (3) ist ungefähr 13.000 Jahre alt und liegt in Göbekli Tepe in der heutigen Türkei. Wer damals den Rührlöffel geschwungen hat, ist wissenschaftlich noch nicht belegt. Wir gehen aber einfach mal davon aus, dass schon damals Bierbrauen zu den täglichen Pflichten der Frauen gehörten, wie es viele Jahrtausende lang der Fall war.
Spätestens aus der Zeit um 5.000 vor Christus gibt es unzählige überlieferte Texte, die von der Bedeutung des Gerstensafts im Zweistromland zeugen – und davon, dass das Bierbrauen Sache der Frauen war. (4)
Auch in der Mythologie spielen Frauen eine entscheidende Rolle in Sachen Bier. Von Ninkasi wird berichtet, der sumerischen Göttin des Bieres. Nach der Ninkasi-Hymne wurde sie „aus dem sprudelnden Wasser“ geboren. Die Ninkasi-Hymne beschreibt in lyrischer Sprache den Brauvorgang.
(5) Die sumerischen Frauen bevorzugten etwa
Bier aus Emmer. Das ist die erste kultivierte Weizenart der Menschheitsgeschichte, dem Dinkel sehr ähnlich.
(6) Oder auch Tjenemit, die zu den altägyptischen Schöpfungsgöttern gehörte
(7). Sie trug unter anderem die Titel:
„Die das Leben im ganzen Land schafft“
„Die Mächtige“
„Die das Bier braut“
„Die das Bier herbeibringt“
Den Bier brauenden Frauen im Mesopotamien der babylonischen Zeit schien es allerdings ähnlich schlecht zu ergehen, wie Jahrtausende später den Kneipenwirtinnen im England des 14. bis 16. Jahrhunderts. Viele alleinstehende Frauen in England brauten Bier, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Sie eröffneten sogar Lokale mit Bierausschank.
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Aber natürlich wurde das Bier auch auf Märkten verkauft, was sich großer Beliebtheit erfreute. Auf den Märkten war es immer sehr voll. Deshalb trugen die so genannten “Ale Wives” spitze Hüte, damit man sie von weiter her besser sehen konnte. Katzen sorgten dafür, dass das wertvolle Braugetreide nicht von Mäusen befallen wurde. Hatte eine Frau frisches Bier gebraut, stellte sie einen umgedrehten Besen vor das Haus, um allen zu zeigen, dass es frisches Bier gab. Ein sechseckiger Stern war ein Zeichen für die Qualität des Bieres - der Brauerstern. (8) Kommt euch das Ganze irgendwie bekannt vor? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Diese Symbole sind auch heute noch bekannt. Aber nicht als Sinnbild für geschäftstüchtige Frauen, sondern als Zeichen für Hexen. Gerade als Frauen auf den Biermärkten Englands, Irlands und des übrigen Europas Fuß fassten, begann die Reformation. Der Klerus im frühen 16. Jahrhundert verurteilte die alleinstehenden Frauen und wollte sie zurück an den Herd in das klassische Rollenschema bringen. (2) In gezielten Kampagnen ging der Klerus gegen die bierbrauenden Frauen vor. So wie vor Jahrtausenden in Mesopotamien hatten diese Frauen irgendwann einen sehr schlechten Ruf. Sie wurden als Betrügerinnen diffamiert, dem Bier wurde eine schlechte Qualität nachgesagt. Ihr schlechter Ruf hing nicht zuletzt mit der Abwertung allein lebender Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft zusammen. (4)
Für die Frauen bedeutete die stärkere Religiosität in Zeiten der Reformation nichts Gutes. Frauen sollten sich der klassischen Rolle widmen und in der Familie für den Nachwuchs sorgen. Gleichzeitig erlebte die Hexenverfolgung ihren Höhepunkt. Zum Ende des Mittelalters begannen Städte in England damit, Frauen zu verbieten, Bier zu verkaufen. In anderen Ländern schlossen Zünfte die weiblichen Brauerinnen aus. (1)
Diese historische Betrachtung der Ale Wives in Zusammenhang mit der Hexenverfolgung ist übrigens heiß diskutiert. Wer sich die Gegenpositionen einmal anschauen möchte, kann dies hier tun. (9)
Am 8.3. ist der internationale Weltfrauentag und diesen Tag nutzen Frauen, um unter anderem wieder für die Rolle der Frau in der Bierbranche zu kämpfen. Brauerinnen, Biersommeliére und Bierbloggerinnen arbeiten stetig und kreativ daran, Frauen wieder an das einstmalige Lieblingsgetränk heranzuführen. Die jahrhundertelange anerzogene Abneigung der Frauen gegen den Gerstensaft gilt es aufzulösen und Bier als Frauengetränk wieder salonfähig zu machen.
“Ich mag kein Bier” ist wohl der Satz einer Frau, der mich als Biersommeliére am meisten motiviert. Doch auch abseits vieler geschmacklicher Vorurteile von Frauen gegenüber Bier ist die Rolle der Frau in Berufen in der Baubranche weiterhin eine schwierige. Organisationen wie die Pink Boots Society oder die Beerbabes Family machen auf die Missstände in der Baubranche aufmerksam und bauen Unterstützerinnen-Netzwerke auf, um Frauen zu fördern und auch die Konsumentenseite entsprechend sichtbar zu machen. Wie kann es sein, dass Frauen 50% der Weltbevölkerung ausmachen, in Deutschland aber nur ca. 11% der Brauer weiblich sind? Dabei sind positive Beispiele wie Katharina Kunz von BRLO (11) oder die niederländische Brauerei Gebrouwen door Vrouwen glücklicherweise nicht mehr nur die Ausnahme. In Bier-Wettbewerben wie der Women’s International Trophy (12) sind ausschließlich weibliche Juroren am Werk und geben den Bier-Konsumentinnen eine Stimme.
Julia Trunz vom Alten Bahnhof Frechen braut jedes Jahr zum Weltfrauentag einen extra Sud ein. Das Wit.ch ist ein Witbier mit 4,8% und wird jedes Jahr am Weltfrauentag gelauncht. Das Wit.ch ist leicht hopfig und kommt mit den typischen Gewürzen daher. Ab dem 8.3. könnt Ihr das Wit im Alten Bahnhof in Frechen genießen.
Frauen, trinkt mehr Bier! Happy Weltfrauentag!
Quellenverzeichnis:
(1) https://www.stern.de/panorama/wissen/bierbrauen-war-frauensache---bis-fanatische-christen-die-brauerinnen-als-hexen-verfolgten-30432116.html
(2) https://www.smithsonianmag.com/history/women-used-dominate-beer-industry-until-witch-accusations-started-pouring-180977171/
(3) https://www.youtube.com/watch?feature=shared&v=IFHDkqgaGOY
(4) https://www.spektrum.de/news/die-ersten-bierbrauerinnen-lebten-im-antiken-mesopotamien/2123418
(5) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ninkasi (abgerufen am 18.2.24)
(6) https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/trinken/bier/pwiegeschichtedesbiers100.html
(7) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tjenemit (abgerufen am 18.2.24)
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Brauerstern (abgerufen am 18.2.24)
(9) https://braciatrix.com/2017/10/27/nope-medieval-alewives-arent-the-archetype-for-the-modern-pop-culture-witch/
(10) Raupach, Markus: Bier – Geschichte und Genuss, Palm Verlag, Berlin, 2017


